Festrede des 1. Vorsitzenden

Aus DltPltWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Beschreibung


Festrede


des 1. Vorsitzenden im Sonderverein der Züchter Deutscher und Polnischer Langschnäbliger Tümmler, gegr.1886 Guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Züchterfrauen und anwesenden Kollegen und Freunde:


Ich bin ein Reisender durch die Zeit…


Es ist Februar im Jahre 1886: gerade komme ich aus Berlin zurück. Dort habe ich an der Vereinsgründung des „Klub der langschnäbligen Tümmler-Züchter“ teilgenommen.


Von hier aus habe ich meine lange Reise durch 125 Jahre hindurch angetreten: Ich kann Euch berichten, dass die „Langschnäbligen Tümmler“ im Gründungsjahr besonders in Mode waren. Es ist noch nicht lange her – und das ist kein Märchen – da habe ich die Parade Seiner Exzellenz persönlich miterlebte und ihn hochleben lassen mit meinem lauten Rufen: Seine Kaiserliche und Königliche Majestät Kaiser Wilhelm, er lebe hoch, hoch, hoch!" D a s war ein Erlebnis…

Ich berichte jetzt einfach einmal, was sich zwischenzeitlich alles so ereignet hat: Zum Ende des 19. Jahrhunderts war die Reise mit der Eisenbahn ein großer Luxus, etwas ganz besonderes, das sich nicht jeder leisten konnte. Und sich so ein Gefährt zu kaufen, wie der Herr Benz es im 1885 gebaut hatte, daran konnte ein normaler Bürger nicht denken. ‚Auto‘ nannte man dieses Teufelswerk! Für Euch Menschenkinder aus der Jetztzeit ist das Auto ja fast eine Selbstverständlichkeit, Gott sei Dank: So ist es möglich, dass Ihr aus allen Ecken Deutschlands und sogar aus Österreich und den Niederlanden anreisen konntet. Die Tümmler- und Hochflugtaubenzucht war in diesen früheren Zeiten in mitteldeutschen Städten wie Braunschweig und Magdeburg und auch hier in Halberstadt eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Und das scheint mir auch heute noch so zu sein. Die Herbig´s betreiben ja immer noch diesen Sport. Nicht wahr? Die Gründung der Taubenzüchtervereine nahm nicht zuletzt dadurch ihren Aufschwung, dass mit der aufkommenden Demokratisierung Mitte des 19. Jahrhunderts die jeweiligen Landesfürsten auch den einfachen Leuten, die über kein eigenes Land verfügten, das Taubenhalten zugestanden. Das ‚Feldern‘ der Tauben, die Futtersuche nach der Getreideernte oder der –Aussaat wurde zuvor als unrechtmäßige Bereicherung angesehen. Im Zuge dieser Entwicklung schlossen sich immer mehr Züchter auch in den Großstädten zusammen. Zu den Mietwohnungen gehörten damals oft noch Mansardenräume, in denen die Taubenhaltung gestattet war. Ja, so war das… die Leute ergötzten sich am Hochflug ihrer Tauben, es war d i e Freizeitbeschäftigung. Heute habt Ihr Radio, Fernsehen oder Internet … und viele andere Dinge, mit denen Ihr Eure Freizeit verbringt. Ob dies immer als Gewinn zu betrachten ist, lassen wir dahingestellt sein. In diesen Vereinen wurde nicht nur die Geselligkeit gepflegt, man strebte auch nach gemeinsamen Zuchtzielen und formulierte einheitliche Vorgaben, die sogenannten Standards. Hier in den nord- und ostdeutschen Städten konnten sich die Tümmlertaubenzüchter ausleben. Sie betrachteten mit viel Muse ihre Tauben und trafen eine Auslese nach den gemeinsam vereinbarten Rassemerkmalen. Das war nur möglich, da sie schon eine geregelte Arbeitszeit hatten. Dies war schon ein großes Privileg, denn die süddeutschen Landbewohner, die meistens Kleinbauern waren, konnten davon nur träumen. Da der Mensch stets nach Höherem strebt und das Besondere bevorzugt, kamen alsbald die Ausstellungswettbewerbe auf: Wer hat die besten Fliegetauben, wer hat die schönsten Tiere, um auf den Ausstellungen zu konkurrieren? So kam das Ausstellen der Tauben immer mehr in Mode. Der Ausstellungswettbewerb förderte u. a. auch die Vereinheitlichung der Taubenrassen. So kam es, dass der erste „Klub…“ in Berlin alsbald weitere Mitstreiter fand: In Magdeburg und Halberstadt gründeten Züchter der Weißschwanz- und Weißschlag-Weißschwanztauben und die der einfarbigen Langschnäbler-Tauben weitere Klubs.

Hier in Halberstadt bevorzugten die Züchter die einfarbigen Tauben unserer Rassen. In Braunschweig begeisterten unsere Bärtchen die Taubenliebhaber. Noch heute ist das Hauptzuchtgebiet in Magdeburg und… Halberstadt zu finden. Begünstigt durch die Veränderungen in Technik und Gesellschaft sind die Züchter zusammengekommen, ob im Norden, Westen, Osten oder Süden, in den Niederlanden, Österreich, Dänemark oder Polen. Es wurden und werden dort unsere Langschnäbligen Tauben gezüchtet. Überall wurden weitere Clubs gegründet. Liebe Zuhörer, ich kann Euch eines sagen: Unsere Vereinsgeschichte ist derart umfangreich, dass es mir nicht möglich ist, sie hier in dem Umfang wiederzugeben, wie es ihr eigentlich gebührt. Ich würde Euch damit den Großteil des Abends rauben. Daher habe ich sie aufgeschrieben und alles Wissens- und Erhaltenswerte in unserem Jubiläumsbuch zusammengetragen. So könnt Ihr in einer ruhigen Stunde genau nachlesen, was sich da so alles zutrug. Übrigens… das Buch kann von Euch hier erworben werden. So will ich jetzt hier nur in kurzen Abrissen darstellen, was sich im Fortlauf der Geschichte so zugetragen hat. Im Jahr 1906 schlossen sich die damals gegründeten „Klubs“ in der Region Halberstadt/Magdeburg zusammen und wählten den Züchter Fritz Becker aus Calbe zum Vorsitzenden. Herr Heyden jun. aus Halberstadt führte dessen Arbeit weiter. Ihm folgte Herr Wilhelm Gorgaß aus Magdeburg. Allerdings war noch nicht der Zusammenschluss aller „Langschnäbler-Züchter“ vollzogen. Denn Langschnäbler-Züchter gab es auch noch im Erzgebirge, im Raum Leipzig und im Gebiet um Köln. Alsbald kauften sich die Engländer bei uns Elstern und kreuzten diese mit Französischen Bagdetten: So entstand die moderne Elstertaube, die sogenannte „Simpson´sche Elster“. Das Musterbild des Malers Simpson dokumentierte diese Revolution bei den Züchtern der Langschnäbligen. Auch auf die damaligen Elsternvorfahren aus Dänemark wirkte sich diese Entwicklung aus. Der Erste Weltkrieg warf seine Schatten auch auf unsere Taubenzüchter. Erst ab dem Jahr 1920 rückte das Taubenzuchtgeschehen langsam wieder in den Blickpunkt der Menschen. Zwei begeisterte Züchter müssen Erwähnung finden: Max Gallrein aus Magdeburg, Vorsitzender und Herausgeber zahlreicher Fachartikel und Edmund Zurth, ein begnadeter Züchter und Verfasser vieler Fachartikel und -bücher. Sie waren in ihrer Zeit große Vorbilder. Bedingt durch die Inflation kam das Ausstellungswesen erst um 1930 wieder in Gang. Doch wurde die Vereinstätigkeit ab 1933 politisch beeinflusst. Das hatte zur Folge, dass sich alle anderen langschnäbligen Tümmlertauben-Züchter und die Züchter der Galizier Silberelstern, die schon früher einmal zu uns gehörten und sich 1912 verselbständigt hatten, nun dem SV der langschnäbligen Tümmler anschließen mussten. Fritz Schaefer aus Potsdam fungierte als Vorsitzender. Die großen Ausstellungen wie z.B. die LIPSIA-Schauen zogen Züchter aus ganz Deutschland, auch die Langschnäbligen Tümmler-Züchter, in ihren Bann. Manche unserer damaligen SV-Mitglieder zeigten schon beachtliche Zuchterfolge. Auch der Zweite Weltkrieg zeigte seine Auswirkungen bei unseren Züchtern. Viele Taubenzüchter kamen in diesem Krieg ums Leben, die Not war groß. Alles Sinnen zielte damals darauf nur ab, das zum Leben Notwendigste zu beschaffen, so dass die Taubenzucht nur langsam wieder an Bedeutung gewann. Auf das Kriegsende folgte bald die Teilung Deutschlands. Viele Züchterfreundschaften konnten nicht mehr wie bisher gepflegt werden. Obwohl die Bemühungen zur gemeinsamen Fortsetzung unseres Sondervereins nie vollends versiegten, ließen die politischen Verhältnisse vieles nicht mehr zu. Infolgedessen kam es in der DDR zur Gründung der SpezialZuchtGemeinschaft mit dem 1. Vors. Otto Schröder aus Schönebeck/Elbe. Im Westen wurde mit dem Sonderverein unter dem Vorsitzenden Karl Behn aus Brome im Harz die Vereins- und Zuchtarbeit fortgesetzt. In den Folgejahren förderte eine lebhafte Züchterarbeit den Erhalt unserer beiden Taubenrassen in beiden Teilen Deutschlands. Unbeirrbare Züchter nahmen von West nach Ost und umgekehrt Verbindung auf und tauschten nicht nur Gedanken über unsere geliebten Langschnäbler-Tauben aus. Wie gut, dass zu dieser Zeit die Manteltaschen so groß waren. Einige Mitglieder unserer beiden Vereine übernahmen die organisatorische Verantwortung und trugen so dazu bei, dass nach der Wiedervereinigung unseres Landes die Langschnabeltümmler-Züchter im Jahr 1991 mit ihren damaligen Vorsitzenden Waldemar Kapust aus Halberstadt und Olaf Steinke aus Rheinfelden, sich zu unserem heutigen Sonderverein zusammenschlossen. Seitdem wächst zusammen, was zusammen gehört. Es ist eine Freude zu sehen, wie Ihr Züchter aus Ost und West hier gemeinsam Euer Vereinsjubiläum feiert. Das ist ein großartiges Geschenk! Angekommen auf meiner Reise durch die Zeit im Heute und Jetzt danke ich all denen, die sich im Laufe der Jahre für unseren Verein engagiert haben. Es war und ist mir ein besonderes Anliegen, dass es in unserem Sonderverein nicht nur in züchterischen Belangen „stimmt“, sondern auch im menschlichen Miteinander.

Es ist unseren Vorfahren gelungen, unseren Sonderverein sicher durch die Stürme der Gezeiten zu geleiten. Nun ist es unsere Aufgabe, das Erreichte zu bewahren und weiterhin zu gewährleisten, dass unser Verein die nächsten Jahre weiter so lebendig bestehen wird.

Ich bin sicher: Wir schaffen das!

Ich wünsche mir von Euch, dass ihr meine Arbeit nach euren Möglichkeiten rege unterstützt. Tragt alle durch Eure aktive Mitarbeit zum Fortbestand unseres Sondervereins bei, bleibt dem Verein und den „Langschnäbligen“ treu! Das wünsche ich mir von Euch.

Erheben wir unser Glas und trinken auf unser Jubiläum!

Karl-Heinz Wintermeyer